Zäsur zum Leben: Verhüllt - Enthüllt, den Augen verborgen für einen neuen Blick!
02.04.2025
Mit diesem Sonntag treten wir in die engere Passionszeit, die Tage der Passion Jesu, der Kar- und Ostertage. Als äußeres Zeichen in den Kirchen, Sie haben es sicher schon gemerkt, wird dies sichtbar an den verhüllten Bildern und Kreuzen mit lila - farbenen Tüchern. Aus welchem Grund werden die Kreuze verhüllt, werden die Prachtbilder zugedeckt?
Die Tradition der Kreuzverhüllung ist eigentlich unlogisch. Denn warum soll es in einer Zeit, in der das Kreuz Jesu im Mittelpunkt steht, verhüllt werden? Zu erklären ist das aus einer Zeit heraus, in der Kreuze, die den leidenden und geschundenen Jesus zeigen, selten waren. „Triumphkreuze“ waren modern, geschmückt mit Gold und Edelsteinen, manchmal ganz ohne Körper, manchmal mit dem „erhöhten Christus“ mit Gloriole oder Königskrone. Diese Kreuze wurden aus gutem Grund verhängt, und auch heute kann es hilfreich sein, um an das Leid und nicht sofort an den Sieg zu denken.
Anders bei Gemeinden, deren Kreuze den leidenden Jesus zeigen. Dort müsste man zumindest deutlich machen, welchen Sinn die Verhüllung haben kann. Etwa den, das gewohnte Kreuz eine Zeitlang den Blicken zu entziehen, um es am Karfreitag „mit neuen Augen“ zu sehen. „Verhüllungskünstler“ wie der bekannte „Christo“ arbeiteten mit diesem Mittel. Verhülltes, Eingepacktes wie z.B. Geschenke wecken das Interesse, die Neugierde aber auch das Wertvolle, das noch nicht gezeigt werden soll. Das Enthüllen, das Auspacken löst nicht selten eine Faszination ein Staunen beim Betrachter.
Als Zeitpunkt der Verhüllung kristallisierte sich spätestens ab dem Trienter Konzil der damals sogenannte „Passionssonntag“ heraus, der Sonntag vor Palmsonntag. Ab hier sprechen auch die liturgischen Texte deutlicher vom Leiden und Sterben Jesu. Endpunkt ist die Kreuzverehrung am Karfreitag.
Schließlich das „lilafarbene“ Tuch. Violett ist seit alters her die Farbe der Fastenzeit, etwa auch bei Messgewänder. Allerdings gilt das für die Kreuzverhängung nur teilweise. Denn als zweiten Strang gibt es eine Tradition, nach der das „Triumphkreuz“ mit Tüchern verhängt wurde, auf denen Szenen des Leidens Jesu gemalt waren; gerade in Zeiten, als kaum jemand lesen konnte, eine „Bibel für das Volk“. Seit den 1970er Jahren wurde dies wiederentdeckt in den „Misereor-Hungertüchern“, in denen das Leiden der Welt vorgestellt wird und die mancherorts vor dem Kreuz hängen.
Vielleicht geht es Ihnen auch so! Ich kann das Leid nicht mehr sehen! Es schmerzt mich zu sehr und hindert mich zu leben. Die Krankenschwestern und Pfleger, die Ärzte und Rettungsbedienstete, die tagein - tagaus, das menschliche Leid mitansehen müssen. Sterbende und Leidende in den Krankenhäusern und in den Pflegeeinrichtungen.
Die Bilder vom Krieg in der Ukraine, das Leid, der Tod das Elend - ich kann es nicht mehr sehen. Vielleicht braucht es eine Pause, ein erleichterndes Erfrischen der Augen um dann erneut verwandelt mit einen neuen hilfreichen, solidarischen, mit-menschlichen Blick das Leid zu sehen. „Ich möchte mich auf die hoffnungsvollen Bilder und Zeichen konzentrieren“. Das mag verständlich sein. Aber vielleicht müssen wir all das zuerst aushalten und durchleben, um am Ende die Silberstreif am Horizont zu erkennen.
Das Verhüllte eröffnet uns eine neue Sichtweise auf das, was verhüllt ist. In der Routine der immer währenden Betrachtung, sind unsere Augen getrübt, das wahre Leid zu erkennen. Den menschlichen Abgrund dessen, was Leben auch für uns bereit hat. Abgestumpft und daran gewöhnt, durchdringt uns das Leid nicht mehr, es erreicht unser Herz nur schwer. Das Leid geht uns nicht mehr unter die Haut. Wir haben einen Panzer angelegt, um zu überleben.
Am Karfreitag werden die Kreuze enthüllt und erhoben, um das Leid zwar zu sehen, aber auch die verklärte, neue Sichtweise zu entdecken. Das Paradoxe, dass im Leid schon etwas von der hoffnungsvollen veränderten neuen Sicht auf das Leben erkennbar ist.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagen wir, und diese Worte sollen uns trösten. Nichts ist hoffnungslos - es geht weiter, irgendwie und eröffnet neues Leben. Aber wann ?
ebendort