Ansprache zum Patrozinium von Peter und Paul 2015

29.06.2025

Mir wurde angetragen, heute am Festtag dieser Kirche, die auf die Namen zweier großer Heiliger benannt ist – Peter und Paul – die Festpredigt zu halten.

Der Auftrag für derartige Festpredigten geht bei uns reihum.
Es gilt nun das richtige Wort zu finden.
Jeder hört heute sicher aufmerksam zu.
Die Erwartungen sind besonders hoch.
Die Festpredigt darf länger sein als nur 8 bis 10 Minuten.
Der Festprediger erinnert sich an die achte Klasse der Hauptschule, in der er oft um das Wort kämpfen musste, um die Schüler beruhigen, die vor Begeisterung über den Religionsunterricht ganz außer sich waren.
Jetzt hat er das Wort!
Diese Überlegungen gehen dem voraus, was ihnen nun offeriert werden soll: Eine Festpredigt.

 

Die Festpredigt und der Festprediger: Der Anfang, die Einleitung ist wichtig.
Vorgetragen in der passenden Tonlage!
Zwei Heilige sind zu bepredigen.
Ihre Schriften bieten viele Möglichkeiten, für ein eröffnendes Wort, einen Gedanken, eine Präambel.
Großartige Worte, bekennendes Christentum, missionarisches Wirken.
Der Festprediger hat eine Fülle von schlagkräftigen Leitworten, die seiner Predigt einen effektvollen Impuls geben. Der Zuhörer bleibt aufmerksam.
Doch wer sollte zuerst genannt sein?
Petrus oder Paulus.
Das Alphabet würde zuerst den Paulus nennen, denn das „A“ steht vor dem „E“!

Paul und Peter?
Hat Peter, bzw. Petrus doch die größere Bedeutung vor Paulus, wenn das Alphabet seinetwegen nicht Beachtung findet?

 

Der Festprediger überlegt: Könnte nicht ein weltliches Zitat eine bessere Initialzündung für die Festpredigt abgeben?

Ein Spruch von Goethe, wenn er einen passenden Gedanken hergibt. Oder noch besser, ein Ausspruch von Karl Marx, das wäre mal was anderes. Der Marx wird dann ein bisschen abgefeilt, um die Zuhörer nicht gleich am Anfang zu irritieren.

 

Aber die Überlegungen beiseite: Der Festprediger hat sich eingehend und verpflichtend mit den beiden Heiligen zu befassen. Das Studium der Theologie liegt schon 30 Jahre zurück. Die Vorlesungen sind längst Vergangenheit, Petrus und Paulus werden oft nur noch diffus wahrgenommen: Lesung aus dem Brief an die Römer. Ja – das hat einmal der Paulus geschrieben. Paulus, der wahrscheinlich nie in Rom war.

Ein Hahn, der drei Mal gekräht hat – der Petrus hat ihn sicher genau gehört. Also das Bibellexikon aufgeschlagen – nachgesehen.
Das weckt Erinnerungen an langweilige Professoren und mühsam Gelerntes wird wieder in das Gedächtnis gerufen.

 

Soll der Festprediger die Zuhörer langweilen?
Über das Jahr verteilt – in jedem Werktags- und Sonntagsgottesdienst – werden die Taten und Worte beider Heiliger vorgetragen, in Lesungen – nur kleine Ausschnitte ihrer Gedanken. Oftmals bleiben diese Lesungen ohne Auslegung, sind aus dem Zusammenhang gerissen und die anschließende Predigt umfasst nur das Evangelium.

 

Der Festprediger versucht es:
Einen besonders markanten Gedanken aus dem Römerbrief: Paulus hat Rom noch nie gesehen, schreibt an die dortige Gemeinde, möchte sie bald besuchen. Er stellte eine lebendige Verbindung zur Wirklichkeit des Alltags her, verbindet das Leben mit dem Glauben. Macht die Probleme, Nöte und Ängste der Menschen in Rom zu dem Gegenstand, den er dann mit den Verheißungen des Glaubens verbindet.

Halt schon zu lang: Dem Petrus muss die gleiche Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt werden: Zwei Briefe des Petrus sind bekannt, die die Hoffnung zum Gegenstand haben und zugleich die damaligen Irrlehren verwerfen. Die Hoffnungen auf die Verheißung des Glaubens, die sich bald erfüllen sollten, werden angesprochen. Gegen die Irrlehren der damaligen Zeit wird polemisiert. Diese Irrlehren bilden dabei den Beweis, dass die Erfüllung der Hoffnung nicht mehr lange auf sich warten lässt.

Das wäre doch schon mal ein Thema für die Festpredigt.

Ein Anfang ist gefunden. Darf sich der Festprediger dabei als der Belehrende fühlen, der ähnlich wie seine Professoren am Lehrpult steht: Theorie dozieren um die Theorie mit der Praxis in Einklang zu bringen. Um damit den Professoren ein Schnippchen zu schlagen, denn 30 Jahre pastorale Erfahrung bereichern das Leben und die Lehre. Und welcher Professor, der nur aus Büchern gelernt hat, kann schon diesen Schatz an pastoraler Praxis vorweisen?

 

Verzeihung – die Festpredigt schon noch an ihrem Anfang.

Der Festprediger hat sich mit dieser Überlegung in eine Sackgasse gebracht. Deshalb ein radikaler Schnitt: Wäre nicht besser ein Erlebnis aus dem Schatz der pastoralen Tätigkeit als Einleitung angebracht?
Zum Beispiel ein Glaubenserlebnis?
Nein – nein, kein eigenes Glaubenserlebnis, als Pfarrer hat man einen festen Glauben.

Besser ein Ereignis aus der Zeit als Krankenseelsorger: Als in höchster Not ein Patient den Priester ruft, um nach einem sündigen Leben eine Beichte abzulegen. Das passt zu Paulus, dem Rabbinerschüler, der in Damaskus angekommen, den Ruf Jesu vernimmt: „Saul, Saul, was verfolgst du mich!“

 

Oder im Nachhall der eigenen Leistung, eine Kirche renoviert zu haben, nach langem Kampf mit dem Ordinariat um die Bewilligung der Gelder. Trotz der Probleme mit Baufirmen und Architekten doch das eigene Werk vollendet zu haben. Die Kirche, die nun die persönliche Note des Pfarrers trägt. Diese Kirche wird der Nachwelt erhalten bleiben und mit etwas mühsamer Phantasie lassen auf dieses Werk die Worte Jesu anwenden: „Du bist Petrus, der Fels und auf dich werde ich meine Kirche bauen!“
Rechtzeitig hat sich hier aber der Festprediger zurück zu nehmen, um nicht in den Verdacht der Überheblichkeit zu kommen: Als Pfarrer bleibt man bescheiden und das Werk lobt nicht den Erbauer, sondern der Herrn!

 

Entschuldigung – der Festprediger ist noch immer nicht weiter gekommen. Er befindet immer noch an seinem Anfang und hat noch keinen konkreten Auftakt. Der Festprediger steht vielmehr in der Gefahr, nichts unbedacht im Raum stehen zu lassen. Keine unnötigen Fragen dürfen aufkommen, aufgeworfene Gedankengänge müssen zu Ende geführt werden, damit keine Fragen offen bleiben. Dies immer im Sinne einer theologischen und wissenschaftlichen Bringschuld. Der anschließende Stehempfang im Pfarrheim soll dem Small Talk dienen und nicht einer weiteren theologischen Diskussion.

 

Der Festprediger hat nun den Gottesdienstraum im Blick: Ungeduld macht sich bei den Kirchenbesuchern breit, Füße scharren und man hustet. Der Festprediger erkennt: Er steht nun wirklich in der Verpflichtung etwas Sinnvolles vorzutragen. Eine Besinnung, die den Menschen zu denken gibt, um so das Gehörte in Gedanken nach Hause zu nehmen. Schließlich sind alle hierhergekommen, um den beiden Heiligen – Petrus und Paulus – die Ehre zu erweisen.

 

In der Not versucht der Festprediger einen neuen Anlauf: Er bringt die beiden Heiligen zusammen. Vereinigt sie sozusagen in einem Raum: Das Konzil der Apostel.

Es wird im Galaterbrief von einem gewaltigen Streit zwischen Paulus in Petrus berichtet. Immer wieder gab es Schriftgelehrte, die den Christen mit nicht jüdischer Vergangenheit, die Regeln der jüdischen Religion aufzwingen wollten: Die alttestamentlichen Reinheitsgebote, die auch für nicht-jüdische Christen zu gelten hatten!

Aber Petrus verwahrt sich gegen diesen Zeitgeist und fordert die Einhaltung der Gesetze, die schon Moses verordnet hatte.

Dagegen verwahrt sich der Paulus: Er kann seine Herkunft aus der jüdischen Diaspora nicht verbergen. Das Gesetz alleine kann keine Gerechtigkeit vor Gott bewirken, es ist allein die Gnade Gottes, die uns Menschen retten kann. Wer war nun der klügere der beiden: Petrus oder Paulus? Schon wieder ist der Festprediger in der Gefahr, die beiden Heiligen – Petrus und Paulus – denen diese Kirche geweiht ist, gegeneinander auszuspielen.

 

Hier kann der Festprediger im letzten Augenblick noch einhaken: Es sind die alten Denkmuster und die Probleme, die sich aus diesem Streit ergeben! Immer dann, wenn man allzu sehr auf deren Erfüllung der eigenen Lehre beharrt ist.

Da: Seht, die beiden Heiligen: Sie einigen sich und legen den Streit beiseite. Petrus hat zuletzt erkannt, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Person und ihrem Wesen vor Gott gleich sind! Warum ihnen also ein jüdisches Gesetz aufzwingen?

Paulus überzeugt Petrus mit der Tatsache, dass wir uns der bedingungslosen Liebe Gottes übereignen dürfen!

 

Darf es der Festprediger vielleicht wagen, hier eine Parallele zu einer konkreten Situation aus der Gemeinde von Peter und Paul anzuführen? Die Versuchung ist groß!

Besser nicht, denn der Festprediger würde sich sonst bei dem anschließenden Pfarrfest gehörig Ärger einhandeln. Aber ganz verzichten will der Festprediger auch nicht darauf, seiner Ansprache eine moralische Note zu geben.

Ja – das lernen wir aus diesem Streit: Wir Menschen sollten an den Punkt kommen, an dem wir begreifen, wie schwach wir sind und wie abhängig wir von Gott sind. Wir sind seine Geschöpfe und handeln doch so oft aus eigenem Willen und aus purem Egoismus. Doch Gottes Gnade ist zuletzt allumfassend!

 

Endlich: Der Bogen ist gefunden und der Festprediger glaubt an ein Ende gekommen zu sein.

 

Die Festpredigt hat eine Überschrift: Die menschliche Entscheidungsfindung und das Wirken des Heiligen Geistes!

Erste Annahme = Die Sturheit
Zweite Annahme = Die Einheit
Dritte Annahme = Das Fazit = Das mühsame Ringen um eine Lösung.

Peter und Paul:
Die beiden Heiligen = Petrus und Paulus

Diese großen Männer der Kirche: Sie haben es uns vorgemacht! Sie haben es uns vorgelebt!

Petrus – Die Verleugnung
Paulus – Das Damaskuserlebnis

Zuletzt das Konzil der beiden Apostel – Die Einigkeit im Glauben.

Einigkeit aus der Kraft des Heiligen Geistes!

 

Ob das eine Festpredigt war?
Ob sich der Festprediger beim Stehempfang sein Bier verdient hat?
Sie alle hier in der Kirche haben die Entscheidung zu treffen.
Deshalb wird sich der Festprediger jetzt, ohne großes Aufsehen, ganz still und leise auf seinen Platz setzen.

 

Und wenn das doch keine Festpredigt war?
Dann wird der Festprediger anschließend in einer Ecke des Pfarrheims ganz auffällig ein Glas Wasser trinken und zumindest wissen: In einer Beziehung darf er sich – auch ohne eine Festpredigt gehalten zu haben:
Vom anthropologischen Standpunkt aus betrachtet darf sich der Festprediger in die Reihe derer einordnen, die wir als die Heiligen betrachten.

Und das kann ganz deutlich und ohne jedes Missverständnis in einem Satz gesagt werden:
Auch die Heiligen waren im ehrlichsten Sinne des Wortes: Menschen!

Pfr. Martin Schubert