Weihnachten - Bauchmenschen und Kopfmenschen

27.12.2025

Bild zum Geistlichen Word

Torsten Mann

ebendort

Ich bin noch ein paar Tage in Bethlehem geblieben. Die Weihnachtstage wollte ich an einem Ort verbringen, nicht wieder aufbrechen. In einer kleinen Pension bin ich untergekommen. Einfaches Essen, ein Bett zum schlafen und ein Tisch, an dem ich Notizen machen kann. Mehr braucht es in diesen Tagen nicht. 

In der Taverne, unweit meiner Unterkunft, gönne ich mir ein kleines Essen und einen leichten Wein. Es ist ja Weihnachten.
Mir gegenüber an einem anderen Tisch sitzt ein älterer Mann, dunkel gekleidet, der mich immer wieder ansieht. Er kommt zu mir an den Tisch und fragt: Habe ich Sie nicht gestern in der Kirche gesehen. Ja, antworte ich und beginne von meiner Ernüchterung zu erzählen, als ich hier angekommen war. Kein Weihnachtsgefühl, das sich einstellte, gerade an diesem Ort.

Er lächelt und antwortet mir, indem er mir eine Geschichte erzählt: 

Die Menschen wollen immer ihren Gefühlen nachgehen, und dann meistens nur den Schönen und Angenehmen. Sie wollen glücklich sein und sich wohligen Emotionen hingeben, gerade an Weihnachten. Plötzlich soll alles heil sein, ganz sein, schön sein. Gleich nach dem Heiligen Abend kommt dann nicht selten die Ernüchterung. Glück und das Hochgefühl lassen sich nicht aufrecht erhalten.
Auch bei Verliebten nicht. Die Vernunft zieht bald wieder ein, das Rationale und das Alltägliche. Selbst in der Kirche - Kind in der Krippe - Engel - Hirten - Stern und schon am anderen Tag kommt in den Texten alles andere als romantische Stallidylle vor.  

Johannes beginnt ja erst gar nicht mit der Kindheitsgeschichte. „Am Anfang war das Wort und dann das Wort wurde Fleisch, wurde Mensch.“, so beginnt er sein Evangelium. Gott wird greifbar, und wir sollen ihn begreifen und vielleicht auch ergriffen werden. Er zeigt einen großen Bogen, der die Menschwerdung des Gottessohnes in einem gesamt theologischen Konzept erklärt. Nicht im klein - klein. Er zeichnet vielmehr einen größeren Zusammenhang auf. 

Sehen Sie, der Heilige Abend ist eher etwas für die „Bauchmenschen“, die sich über ihre Gefühle der Weihnachtsbotschaft nähern möchten. Für die „Kopfmenschen“ ist dann eher Johannes in seinem Prolog:

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.

Im Anfang war es bei Gott. 

Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen. 

Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. ......“

Wir bleiben noch den ganzen Abend zusammen, und ich spüre, wie die Unterhaltung mich auch in meinen Erwartungen hinterfragt und doch freue ich mich über dieses bereichernde Gespräch. 

 

Manfred Rütsche

privat