Advent - Zwischenstation - Jerusalem, du freie Stadt

10.12.2025

Bild zum Geistlichen Word

Manfred Rütsche

privat; Weiterverwendung nicht gestattet

Jerusalem, die Stadt auf dem Berg oder besser auf dem Hügel, erscheint am Horizont.
Die große Stadt, in der die Geschichte von Jahrtausenden von Jahren zu sehen, zu spüren, zu riechen und zu greifen ist. Als würde die Zeit stehenbleiben und doch auch als würde Altes und Neues hier zusammenkommen, ganz selbstverständlich.

Ich stehe vor dem Jaffa-Tor, das den Zugang in die Stadt vom Osten her ermöglicht, und bin überwältigt. Wie in einem Basar haben sich vor und hinter dem Tor Händler aufgereiht und bieten ihre Waren an. Tore durchbrechen die Mauern, öffnen den Zugang zu einer neuen anderen Welt.

Schon in der Frühzeit wurden Torbögen als Sinnbild für triumphale Siegeshelden errichtet. Der Übergang von einem Bereich in den anderen. Vom Profanen zum Heiligen, vom Alltäglichen zum Besonderen, vom Diesseits ins Jenseits. In vielen mittelalterlichen Städten gibt es Stadttore bis heute. Meistens sind es vier, mit einer Stadtmauer verbunden. Gut behütet von Wächtern, Tag und Nacht. Sie sollten die Bewohner vor Fremden und Eindringlingen schützen.

In deinen Toren werde ich stehen, du freie Stadt Jerusalem....

heißt es in einem bekannten Lied. Von Freiheit singt dieser Refrain. Es ist ein Lied über Jerusalem. Eine Jahrtausende alte Stadt. Die Mauern der Altstadt wurden im 16. Jahrhundert gebaut. Heute liegen sie frei und haben acht Tore. Dabei ragt eines besonders hervor: das Goldene Tor. Es ist verschlossen. Juden und Araber nennen es auch das Tor der Barmherzigkeit. Nach jüdischer Überlieferung wird der Prophet Elija bei seiner Wiederkunft dieses Tor für den Einzug des Messias öffnen. Durch dieses Goldene Tor, so glaubt man, ist Jesus am Palmsonntag auf einem Esel in die Stadt eingezogen.

„Nun stehen unsere Füße in deinen Toren, Jerusalem. Jerusalem ist gebaut als eine Stadt, in der man zusammenkommen soll. Wohin die Stämme hinaufziehen. … Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen.“ Ps 122, 3.4;7

So beschreibt es Psalm 122 in der Bibel. Und ich frage mich: Wie lebt es sich in einer Stadt hinter solch dicken Mauern? Friedlich und geborgen? Oder abgeschottet, einsam und zurückgezogen? Ängstlich und misstrauisch gegenüber denen, die draußen stehen? Ich kenne das Gefühl, wie zugemauert zu sein.

Erstarrt, versteinert. Nichts dringt mehr an mich heran. Es gibt kein vor und zurück. Die Situation ist festgefahren. Der Dialog ins Stocken geraten, zwischen Israelis und Palästinensern, Völkern und Nationen, Religionen und Kulturen. Gibt es da einen Weg nach draußen?

„In deinen Toren werd' ich stehen, du freie Stadt Jerusalem, in deinen Toren kann ich atmen, erwacht mein Lied.“

Hoffnung, Vision oder Utopie?

 

 

 

Manfred Rüsche

privat