Advent - Ankunft in Bethlehem
24.12.2025
privat; Weiterverwendung nicht gestattet
Ich bin angekommen in Bethlehem. Finde ich, was ich gesucht habe? Ist dieses Bethlehem mein Ziel? Es war nicht einfach, in die Stadt zu kommen. Nichts von der idyllischen Atmosphäre, die ich mir erhofft hatte. Ich durfte nur mit einem kontrollierten Bus in die Stadt. Eine meterhohe Grenzmauer trennt die politisch zerstrittenen Gebiete. Er trennt vor allem aber Menschen. Eine beklemmende Stimmung macht sich breit.
Alles erinnert mich an das geteilte Berlin vor der Wiedervereinigung. Frieden sieht anders aus. Armut, wohin man auch blickt, in den Straßen und Häusern, kaum Geschäfte und bettelnde Kinder, wohin man sieht. Wut und Traurigkeit mischen sich in mir miteinander.
Ich steige beim großen Platz vor der Geburtskirche aus und staune nicht schlecht über die riesige Kirche, die über dem Geburtsort Jesu platziert wurde. Ich sehe kein Eingangstor, nur einen kleinen Zugang in einer Mauer. Ich muss mich ducken, damit ich nicht mit dem Kopf anstoße. Vorher muss ich mich aber in die Schlange einreihen, Massen von Menschen, die auch in diese Kirche wollen.
Nichts von Ruhe und Frieden, Nichts von Besinnlichkeit. Das habe ich mir anders vorgestellt. Ringsum auch bewaffnete Soldaten.
Als ich die Kirche betrete, bin ich etwas besänftigt. Der Blick öffnet einen großer Kirchenraum, wie ich ihn kenne.
Anders nur im vorderen Bereich die vielen von der Decke hängenden Öllampen mit ihrem orientalischen Ambiente.
Ich meide die Massen von Menschen hier und begebe mich in einen Seitengang, nehme Platz und lese die Bibelstelle, die von diesem Ort zeugt.
„In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Da trat der Engel des Herrn zu ihnen und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr, der Engel aber sagte zu ihnen: Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.“ (Lk 2, 8-12
Ich schließe meine Augen und versuche mich hineinzuversetzen was aus diesem Ort geworden ist. Ist hier das Ziel, auf das ich so lange nun zugegangen bin? Ich reihe mich wieder in eine Schlange von Menschen ein, um genau an den Ort zu kommen, wo man die Geburt Jesu vermutet.
Ich muss mich wieder ducken, mich klein machen und komme zu einer Steinplatte, die mit einem goldenen Stern, den Geburtsort Jesu auf den Punkt bringt. Da jeder sich hin kniet und diesen Punkt küsst, knie auch ich mich hin und küsse diesen Stern. Für jeden bleiben nur wenige Sekunden zur Anbetung, viele Menschen drängen von hinten.
Ich gehe wieder in die Oberkirche und suche einen ruhigen Ort, wo ich die Eindrücke auf mich wirken lassen kann.
Anders als andere bin ich nicht überwältigt, sondern irritiert. Emotionen lassen sich nicht per Knopfdruck erzeugen.
Was ist das hier ?
Mir kommt ein Gedicht von Rudolf Otto Wiemer in den Sinn:
Sage, wo ist Bethlehem?
Wo die Krippe? Wo der Stall?
Musst nur gehen, musst nur sehen –
Bethlehem ist überall.
Sage, wo ist Bethlehem?
Komm doch mit, ich zeig es dir!
Musst nur gehen, musst nur sehen –
Bethlehem ist jetzt und hier.
Sage, wo ist Bethlehem?
Liegt es tausend Jahre weit?
Musst nur gehen, musst nur sehen –
Bethlehem ist jederzeit.
Sage, wo ist Bethlehem?
Wo die Krippe? Wo der Stall?
Musst nur gehen, musst nur sehen –
Bethlehem ist überall.
ebendort