Advent - Der seltsame Traum

18.12.2025

Bild zum Geistlichen Word

Manfred Rütsche

privat; Weiterverwendung nicht gestattet

„Ich bin in einen tiefen Schlaf gefallen. Ich merkte gar nicht, wie erschöpft ich gewesen bin. Jetzt im Schlaf kann ich entspannen und ausruhen von der strapaziösen Wanderung. Nicht immer kann ich am anderen Morgen sagen, ob ich etwas geträumt habe. Doch heute Nacht dieser Traum. Echt seltsam, was mir da im Traum so für Bilder kommen:

Ein langer Weg liegt vor mir, er scheint unendlich weit. Ich kann nur die ersten Wegbiegungen sehen, aber ich spüre, es ist ein sehr langer Weg. Es tauchen Bilder auf, die noch ungeordnet sind, alles durcheinander. Meine Wohnung, von der ich aufgebrochen bin, meine Freunde, meine Familie, die Menschen auf der Straße. Manche wünschen mir Glück für die Reise, andere schütteln nur den Kopf. Warum brichst du überhaupt auf ? Du hast es doch gut hier. 

Auch Bilder von den Menschen, die mir unterwegs begegnen, drängen sich in diesen Traum. Die Dörfer mit ihren Häusern, den Straßen und den Menschen, die dort leben. Es ist so, als könnte ich in die Wohnungen sehen, Anteil nehmen an deren Leben. Manches erfreut mich, anderes erschreckt mich: Wie Menschen miteinander umgehen, die sich doch eigentlich lieben. Es drängt mich weiter und weiter, Nazareth, die Leute dort, das Gespräch mit den Bewohnern über Maria und Josef, der mühsame Weg über das Gebirge, die prächtige Stadt Jerusalem mit seinen Toren und Mauern, seinen Straßen und Basaren. Ich gehe noch einmal alles in Gedanken durch. Die Farben sind leuchtender, die Gerüche intensiver, im Traum muss ich weinen, als ich vor der Klagemauer stehe und mir das Leid der Menschen in den Sinn kommt. So als würde alles konzentriert und intensiver sein. 

Und plötzlich taucht eine seltsame Gestalt auf. Bisher habe ich sie noch gar nicht wahrgenommen. Sie scheint immer hinter mir herzulaufen. Komisch, dass ich keine Angst verspüre, sondern eher ein wohliges Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit. Als gehörte diese Gestalt immer schon zu mir.  Schön, dass mir jemand den Rücken stärkt, denke ich. Immer wenn ich gerade dabei bin, die Gestalt anzusprechen, entschwindet sie mir. Im Traum ist mir klar, sie wird mich auch weiter begleiten.“ 

Ich weiß nicht, warum mir jetzt die Worte des Psalm 91 durch den Kopf gehen. 

»Der Herr ist meine Zuflucht.«
Beim höchsten Gott hast du Schutz gefunden. 

Darum wird dir nichts Böses geschehen,
kein Unheil darf dein Haus bedrohen. 

Gott hat seinen Engeln befohlen,
dich zu beschützen, wohin du auch gehst. 

Sie werden dich auf Händen tragen,
damit du nicht über Steine stolperst.

Löwen und Schlangen können dir nicht schaden,
du wirst sie alle niedertreten. 

Gott selber sagt: »Er hängt an mir mit ganzer Liebe, darum werde ich ihn bewahren.
Weil er mich kennt und ehrt, werde ich ihn in Sicherheit bringen. 

Wenn er mich ruft, dann antworte ich.
Wenn er in Not ist, bin ich bei ihm;
ich hole ihn heraus und bringe ihn zu Ehren. 

Ich gebe ihm ein langes, erfülltes Leben;
er wird die Hilfe erfahren, auf die er wartet.«

Als ich am Morgen von den ersten Sonnenstrahlen geweckt werde, fühle ich mich seltsam ausgeschlafen und erholt. 
Ich reibe mir die Augen und sinne noch ein wenig über meinen Traum nach. 
Ich bin mir sicher, es ist gut, dass ich mich auf den Weg gemacht habe, und der weite Weg erscheint mir nun nicht mehr so lang und anstrengend. 

Manfred Rütsche

privat